Die 1960er Jahre

Größler übernimmt für Semmelmann

Nach zwei berauschenden Jahren, in denen die Altstadt erst ihre erste bayerische Amateurmeisterschaft und den Aufstieg in die 2. Liga erringt und dann dort einen sensationellen fünften Platz erreicht, wird der Altstädter Höhenflug erst einmal gestoppt. Ursächlich ist dabei sicher auch, dass sich Aufstiegsheld Jumbo Zeitler, der trotz seiner 33 Jahren drittbester Torschütze in der Premierensaison in der 2. Liga war (16 Tore), 1960 als Spielertrainer dem 1. FC Bayreuth anschließt. Kann 1960/61 der Abstieg aus der 2. Liga noch haarscharf abgewendet werden, ist es ein Jahr später so weit: Mit nur acht Siegen (darunter ein 7:6 bei Schlusslicht ASV Cham) verabschiedet man sich wieder aus dem gehobenen Amateurfußball.

Manne übernimmt für Fritz

Zurück in der Bayernliga folgt ein personeller Umbruch mit zahlreichen Jugendspielern – auch ein gewisser Manfred Größler läuft 1962/63 im zarten Alter von 18 Jahren erstmals für die erste Mannschaft auf. Gewissermaßen wird in dieser Saison der Staffelstab übergeben: Fritz Semmelmann, die Altstädter Leitfigur der Nachkriegsjahre, spielt seine letzte Saison; Größler, der noch 1982 in der 2. Bundesliga auf dem Platz stehen wird und bis dahin mit seiner Altstadt zahlreiche Erfolge gefeiert haben wird, seine erste. Gemeinsam stehen die beiden in der Liga jedoch nicht mehr auf dem Platz – Größler debütiert zwölf Tage, nachdem sich Semmelmann im Derby beim FC einen Unterschenkelbruch zugezogen hatte.

Am Ende der Saison erreicht die anfangs schwächelnde SpVgg – auch dank Größler – nach einer starken Rückrunde mit zehn Siegen, drei Remis und nur vier Niederlagen den vierten Platz und qualifiziert sich für die neue, nun eingleisige Bayernliga – der 1. FC Bayreuth, der nur vier Punkte weniger auf dem Konto hat, schafft die Qualifikation hingegen nicht.

Die nächsten Jahre in der Bayernliga verlaufen vergleichsweise unspektakulär – zumindest was die Endplatzierungen anbelangt: Außer in der Saison 1965/66, in der man in den letzten Saisonwochen einen komfortablen Vorsprung und damit den Aufstieg in die Regionalliga verspielt, geht es am Ende um nicht mehr viel. Unterhaltsam sind die Geschehnisse auf der Jakobshöhe freilich immer: Vier Tore fallen im Schnitt (!) Bayernliga-Jahren. Beispiele: ein 8:2-Sieg in Lichtenfels im Jahr 1965 (das Rückspiel ging kurioserweise mit genau demselben Ergebnis verloren), 1966 ein 8:5 gegen Wacker München, 1967 wiederum ein 7:7 gegen Lichtenfels – von diesen Spielen gab es so einige.

1969 gelingt der Aufstieg in die Regionalliga

Prägend für das Bayreuther Offensivspiel ist Manfred Größler, der in diesen Jahren mehr und mehr Unterstützung erhält: 1966 wechselt Herbert Horn aus Creußen auf die Jakobshöhe, 1967 und 1968 dann nacheinander Kurt Persau und Bruno Dvorak, beide vom Stadtrivalen VfB. Und so hat die Altstadt in der Saison 1968/69 unter Trainer Willibald Hahn eine schlagkräftige, über die Jahre gewachsene Mannschaft zusammen, die durch einen starken Endspurt mit dem zuvor schon enteilt geglaubten BC Augsburg gleichzieht. Die besten Torschützen der Altstadt in dieser Saison – natürlich nach Manne Größler (34 Tore in 34 Spielen): Persau, Dvorak, Horn.

Die SpVgg Bayreuth in der Saison 1968/69.

Zum Held des Entscheidungsspiels um die bayerische Meisterschaft gegen den BC Augsburg wird aber ein anderer: Erich Scholti erzielt zwei seiner insgesamt 14 Tore in diesem „Spiel der Spiele“ und bringt die Altstadt in der ersten Hälfte mit 2:0 in Führung. Für die Entscheidung vor 6.500 Zuschauern sorgen nach der Pause Manfred Größler und Bruno Dvorak. Die Partie endet 4:0, die Altstadt ist bayerischer Amateurmeister – gleichbedeutend mit dem Aufstieg in die Regionalliga Süd!

Die Jakobshöhe platzt aus allen Nähten

Dort trifft die Altstadt nicht nur zum ersten Mal in Ligaspielen auf die oberfränkische Nummer 1 Bayern Hof, sondern auch auf den 1. FC Nürnberg, der gerade als Meister aus der Bundesliga abgestiegen ist. Es sind neue Dimensionen, in die die Fußballer von der Jakobshöhe vorgestoßen sind: In Nürnberg sind 16.000 Zuschauer vor Ort, in Hof beim ersten oberfränkischen Derby in einer der ersten beiden Spielklassen 11.000; und auch die erneut ausgebauten Jakobshöhe platzt so manches Mal aus allen Nähten, im Schnitt kommen 6.500 Zuschauer zu den Heimspielen.

An den Auftritten auf der Jakobshöhe liegt es am Ende nicht, dass die Altstadt nach nur einem Jahr wieder absteigen muss (nur fünf der 19 Spiele auf der Jakobshöhe gehen verloren). Vielmehr offenbaren die Gelb-Schwarzen eine eklatante Auswärtsschwäche, nur eine Partie in der Fremde wird gewonnen. Deshalb ist es fast logisch, dass auch das in Fürth ausgetragene Entscheidungsspiel gegen den ESV Ingolstadt, mit dem die Altstadt am Ende punktgleich ist, mit 2:5 verloren geht.

Wie schon zu Beginn des Jahrzehnts ist das „Abenteuer 2. Liga“ für Bayreuth schnell zu Ende. Doch dieses Mal soll die Rückkehr schneller erfolgen – und wie!

(Vielen Dank an Stephan Müller, der den Großteil der Inhalte im Rahmen der Arbeit für das Jubiläumsbuch zusammengetragen hat!)

Prägende Personen

  • Manfred Größler
    Der Angreifer kommt 1962 im Alter von 18 Jahren und übernimmt die Rolle von Fritz Semmelmann als das Gesicht der Altstadt – und zwar bis 1982! Insgesamt rund 700 Mal läuft er für die Gelb-Schwarzen auf, dabei erzielt er weit über 300 Tore.
  • Dieter Stenger
    55 Tore in 173 Spielen gelingen dem Angreifer von 1961 bis 1968, er ist damit neben Größler die verlässlichste Altstädter Offensivkraft.
  • Günter Bachofner
    Blutjung debütiert Günter Bachofner im Alter von 19 Jahren 1959/60 in der 2. Liga, und der Defensivmann wird das darauffolgende Jahrzehnt entscheidend mitprägen. Insgesamt spielt steht er in 321 Spielen auf dem Platz – und damit häufiger als jeder andere Altstädter.
  • Erich Scholti
    Bis zum heutigen Tag ist Erich Scholti als Verantwortlicher der Altherren-Mannschaft für die SpVgg aktiv. Als Spieler hat er im Entscheidungsspiel gegen Augsburg im Jahr 1969 seinen großen Moment: Sein Doppelpack ebnet den Weg zum Aufstieg in die Regionalliga, in der er auch immerhin 20 Mal zum Einsatz kommt.
  • Herbert Horn
    Als 17-Jähriger wechselt Herbert Horn 1966 aus Creußen auf die Jakobshöhe und entwickelt sich wegen seines Kampfgeists schnell zum Publikumsliebling – und zum Dauerbrenner: Bis zu seinem Karriereende im Alter von 33 Jahren, 1983 in der Bayernliga, verpasst er kaum ein Spiel. Am Ende hat er das SpVgg-Trikot knapp 700 Mal getragen.
  • Kurt Persau
    Kurt Persau kommt 1967 vom VfB auf die Jakobshöhe und ist schon in seiner ersten Saison mit 24 Toren zweitbester Torschütze hinter Manfred Größler. Auch am Wiederaufstieg in der Saison 1970/71 hat er mit 25 Toren großen Anteil. Insgesamt trifft er 73-mal in 153 Ligaspielen.
  • Bruno Dvorak
    Bruno „Rak“ Dvorak wechselt wie Persau von der Prellmühle auf die Jakobshöhe und wird ebenso eine feste Größe der Offensive. 81 Tore erzielt er von 1968 bis 1973.
  • Der Meisterkader 1969
    Karl Stangl, Werner Sonntag – Günter Fuchs, Manfred Hempfling, Günter Bachofner, Bruno Dvorak, Manfred Größler, Herbert Horn, Werner Größler, Wolfgang Kauper, Helmut Peez, Rainer Kolb, Kurt Persau, Günter Ponfick, Michael Samodi, RolandSchirmer, Erich Scholti, Hans Semmelmann, Klaus Thau, Harald Ullmann – Trainer: Willibald Hahn.

Große Spiele

  • 1961/62: Hessen Kassel – SpVgg Bayreuth 0:1 (2. Liga Süd)
    Als Tabellenletzter ist die Altstadt im Oktober 1961 zu Gast bei Spitzenreiter Hessen Kassel – und zwar ohne den erkrankten Kapitän Fritz Semmelmann. Jeder, wohl auch die Bayreuther Gäste, rechnen mit einem klaren Sieg der Nordhessen. Doch Dieter Stenger bringt die SpVgg in der 24. Minute in Führung, und diese Führung hält bis zum Schluss, obwohl Torwart Paul Guhl eine Gehirnerschütterung erleidet und sich Heinz Müller und Dieter Stenger während des Spiels ebenfalls verletzen (Spielerwechsel sind noch nicht gestattet!). Der Frust der Kasseler Zuschauer entlädt sich während des Spiels in überschäumender Wut auf den Schiedsrichter und fliegenden Bierflaschen in Richtung Bayreuther Spieler, nach der Partie lauern schließlich gut tausend Heimfans am Stadiontor. Zu ihrer eigenen Sicherheit müssen die Altstädter mehrere Stunden in der Kabine verweilen, ehe sie dann doch die Heimfahrt antreten können – mit zwei Punkten im Gepäck! Es ist eines der wenigen Highlights einer ansonsten tristen Saison: Am Ende steigt die SpVgg ab, Kassel wird trotz des sensationellen Niederlage Meister.
  • 1962/63. 1. FC Bayreuth – SpVgg Bayreuth 0:1 (Bayernliga Nord)
    Denkwürdiges Derby im FC-Stadion: Der FC um Spielertrainer Jumbo Zeitler und die gerade aus der 2. Liga abgestiegene SpVgg mit Fritz Semmelmann spielen um zwei Punkte, die in der Endabrechnung entscheidend sein sollen. Vor allem die beiden Veteranen stehen im Mittelpunkt des Geschehens, und zwar in tragischer Art und Weise: Zeitler wird in der 27. Minute von Dieter Stenger hart gefoult und kann sich fortan nur noch humpelnd fortbewegen; Semmelmann erwischt es in der 50. Minute noch schlimmer, er scheidet mit einem Unterschenkelbruch aus – und wird danach kein Spiel mehr für die Altstadt absolvieren. Später fliegt auch noch SpVgg-Verteidiger Georg Walther vom Platz. Zumindest ein Tor bekommen die rund 4.000 Zuschauer zu sehen: Ausgerechnet Stenger trifft vier Minuten nach seinem Foul gegen Zeitler zur Führung und letztendlich auch zum Sieg für die Altstadt, die die Saison auch dadurch vier Zähler vor dem FC abschließt – und sich im Gegensatz zum Rivalen für die eingleisige Bayernliga qualifiziert.
  • 1965/66: SpVgg Bayreuth – 1. FC Bayreuth 1:0 (Bayernliga)
    Nach zwei Jahren gelingt dem Bayreuther „Club“ die Rückkehr in die drittklassige Bayernliga – zumindest für ein Jahr. Am 6. März gewinnt die Altstadt durch ein frühes Tor von Speckner mit 1:0 – es ist das letzte Bayreuther Duell mit Beteiligung der Altstädter „Ersten“. Dass diese Derbys die Stadt elektrisiert haben, beweisen die knapp 5.000 Zuseher auf der Jakobshöhe: die höchste Zuschauerzahl der Saison.
  • 1967/68: SpVgg Bayreuth – 1. FC Lichtenfels 7:7 (Bayernliga)
    Eine Partie sinnbildlich für ein Jahrzehnt, in dem vor allem Offensive Trumpf ist. In der Saison 1967/68 fallen in den 34 Spielen mit Altstädter Beteiligung unglaubliche 146 Tore (4,3 pro Spiel!) – allein 14 davon im Duell mit dem 1. FC Lichtenfels am 28. Spieltag. Die Torfolge: 0:1 Ullmann (Eigentor, 18.) 0:2 Neckermann (21.) 1:2 Persau (26.) 2:2, 3:2 Größler (40., 42.) 4:2 Kolb (44.) 4:3 Dietz (48.) 5:3 Kolb (51.) 5:4 Dietz (54.) 6:4 Größler (60.) 6:5, 6:6 Erhardt (63., 65.) 7:6 Persau (73.) 7:7 Dietz (76.)
  • 1968/69: BC Augsburg – SpVgg Bayreuth 0:4 (Entscheidungsspiel um die Bayernliga-Meisterschaft)
    6.500 Zuschauer in Ingolstadt, davon gut die Hälfte aus Bayreuth, werden Zeuge einer Demonstration Altstädter Stärke: Erich Scholti schnürt in der ersten Hälfte einen Doppelpack zur sicheren 2:0-Pausenführung, kurz nach Wiederanpfiff sorgt Manfred Größler bereits für die Entscheidung. Kurz vor Schluss gelingt Bruno Dvorak gar das 4:0, durch das sich die SpVgg zum zweiten Mal zum bayerischen Amateurmeister kürt – und damit in die zweitklassige Regionalliga Süd aufsteigt. In den Wochen zuvor hatten die Altstädter eine furiose Aufholjagd auf die Schwaben vollzogen, die (nach Punktgleichheit nach der Saison) in diesem 4:0 gipfelt.

Die Saisons im Überblick

Was sonst noch geschah

  • Dass die Altstadt in den ersten Jahren keine sportlichen Höhenflüge ansetzen konnte, lag auch daran, dass sich die finanzielle Situation nach dem Abstieg aus der 2. Liga deutlich anspannt. Durch die deutlich geringeren Zuschauereinnahmen stehen 1962 Verbindlichkeiten in Höhe von 30.000 Mark zu Buche – eine ganze Menge für die damalige Zeit. Bis 1966 werden diese Schulden abgetragen.
  • Auch wenn Manfred Größler und Fritz Semmelmann nie gemeinsam in einem Ligaspiel auf dem Platz stehen, so finden sich in der Altstädter Geschichte mehrere Spiele mit den Namen „Größler“ und „Semmelmann“ in einer Aufstellung: Werner Größler, Mannes älterer Bruder, absolviert einige Spiele in der 2. Liga an der Seite Semmelmanns; dessen Sohn Hans Semmelmann kommt ab 1965 auf beachtliche 79 Ligaeinsätze – die meisten davon natürlich mit Manfred Größler auf dem Platz -, ehe er 1970 nach Kulmbach wechselt.
  • Der VfB Bayreuth, 1956 noch im Endspiel um die bayerische Meisterschaft, kommt in den 1960er Jahren nicht mehr über die Landesliga hinaus und trifft somit in der Liga nicht mehr auf die Altstadt. Und nachdem der 1. FC Bayreuth 1963 die Qualifikation für die eingleisige Bayernliga verpasste, kommt es nur noch einmal, in der Saison 1965/66, zu Ligaderbys mit Altstädter Beteiligung. Der VfB fusioniert 1969 mit dem TuSpo Bayreuth – also dem Verein, aus dem sich die SpVgg einst abgespaltet hatte – zum BSV 98. Der 1. FC Bayreuth hingegen bleibt noch für mehrere Jahrzehnte im Fußball eigenständig, ehe er im Jahr 2003 zum FSV Bayreuth fusioniert – mit dem BSV 98. So schließt sich der Kreis des Bayreuther Fußballs!
  • Nach dem Aufstieg in die Regionalliga im Jahr 1969 wird auf der Jakobshöhe die Haupttribüne überdacht und die Kapazität auf rund 10.000 Plätze erweitert. Erstmals fällt diese magische Marke beim Heimspiel gegen den 1. FC Nürnberg am 10. Mai 1970. Insgesamt sehen in der Regionalliga-Saison im Durchschnitt 6.500 Fans die Heimspiele ihrer Altstadt.