Die 1950er Jahre
Der „Mythos Jakobshöhe“ entsteht
(Vielen Dank an Stephan Müller, der den Großteil der Inhalte im Rahmen der Arbeit für das Jubiläumsbuch zusammengetragen hat!)
Das vierte Jahrzehnt der Vereinshistorie ist das erste, in dem auch tatsächlich von Anfang bis Ende gespielt wird. Nach dem Gründungsjahrzehnt (1921 bis 1930) war der Verein ab 1933 aufgelöst und erst nach dem Krieg wieder gegründet worden. Auf der Jakobshöhe kann also endlich mit Kontinuität gearbeitet werden – und das schlägt sich direkt in sportlichen Erfolgen nieder.
Nach vier Jahren in der Kreisliga, in der die Gegner noch Heinersreuth, Stadtsteinach und Geroldsgrün heißen, gelingt 1954 der Aufstieg in die Bayernliga: Nach dem ersten Platz in der Liga setzen sich Paul Guhl, Fritz Semmelmann, Georg Wippenbeck und Co. in der langwierigen Aufstiegsrunde gegen Eibelstadt, Südwest Nürnberg, Haßfurt, Pressig und die SpVgg Erlangen mit sieben Siegen, zwei Remis und nur einer Niederlage durch. In der „I. Amateurliga Nordbayern“ spielt man nun endlich wieder auf Augenhöhe mit den Bayreuther Rivalen FC und VfB.
5.000 Zuschauer sehen die Stadtderbys gegen FC und VfB
Und im ersten Jahr schwingt sich die SpVgg direkt zum inoffiziellen „Stadtmeister“ auf: Am ersten Spieltag wird der VfB mit 5:0 von der Jakobshöhe geschossen, wenige Wochen später erleidet der FC dasselbe Schicksal und muss beim 3:5 die Segel in der Altstadt streichen. Jeweils rund 5.000 begeisterte Fans sehen die Spektakel auf der Jakobshöhe, die in den Folgejahren schrittweise ausgebaut wird und sich zu einer echten „Festung“ entwickelt. Auch die jeweiligen Rückspiele gehen an die Gelb-Schwarzen, die am Ende der Saison einen respektablen fünften Platz erreichen – der VfB und der 1. FC Bayreuth landen auf dem siebten bzw. zehnten Rang.
Im Folgejahr, der Saison 1955/56, gewinnt der VfB Bayreuth um den zweimaligen Olympia-Teilnehmer Jumbo Zeitler den Ligatitel und anschließend auch die bayerische Meisterschaft, der Aufstieg in die 2. Liga bleibt den Prellmühlern in der anschließenden Aufstiegsrunde aber verwehrt.
Mit Jumbo Zeitler in die 2. Liga
Nun hat endgültig die Zeit der Altstadt geschlagen: 1957 wird man Dritter, 1958 Zweiter und 1959 schließlich Meister der Amateurliga Nordbayern – FC und VfB komplettieren die Bayreuther Dominanz und landen 1958/59 auf den Plätzen 2 und 3. Ein Erfolgsgarant bei der Meisterschaft ist Jumbo Zeitler, der vor der Saison vom VfB auf die Jakobshöhe gewechselt war – und die Altstadt nach dem Gewinn der bayerischen Meisterschaft gegen Schwaben Augsburg (2:0 in Bayreuth / 0:0 in Augsburg) gemeinsam mit seinem Nationalmannschaftskollegen Fritz Semmelmann auch in die 2. Liga führt: Im entscheidenden Spiel gegen den VfB Pforzheim gelingt Zeitler in der 107. Minute der entscheidende Treffer zum 2:1.
In der 2. Liga Süd geht es ab 1959 gegen klangvolle Namen wie Waldhof Mannheim, Hessen Kassel oder Darmstadt 98. Die Altstadt schlägt sich in ihrem ersten Jahr mehr als achtbar und erreicht am Ende einen sensationellen fünften Platz. Dabei begeistert die SpVgg um das Trio Fritz Semmelmann (22 Tore), Hans Zeus (18) und Jumbo Zeitler (16) vor allem offensiv und schießt 83 Tore – die meisten der Liga! Ein weiterer Erfolgsgarant ist der Hexenkessel auf der Jakobshöhe, in dem sagenhafte 14 von 17 Spielen gewonnen werden.
Zum ersten Mal nimmt die Altstadt 1959 außerdem am DFB-Pokal teil und liefert dem späteren Finalisten Karlsruher SC einen erbitterten Kampf – erst nach Verlängerung geht die Partie vor 9.000 Fans auf der Jakobshöhe mit 1:3 verloren.
Fußball-Deutschland sieht: In Bayreuth entwickelt sich was!
Prägende Personen
- Paul Guhl
Guhl, der schon in den 1940er Jahren zwischen den Pfosten steht, hütet quasi für das komplette Jahrzehnt das Altstädter Tor und hat damit großen Anteil an den Erfolgen des Vereins. - Georg Wippenbeck
Der Blondschopf ist für lange Jahre eine feste Größe in der Altstädter Defensive, in den 1960er Jahren ist er zudem als Trainer tätig. - Fritz Semmelmann
Der Außenläufer spielt auf konstant hohem Niveau und wird mit der Berufung in die B-Nationalmannschaft sowie ins Olympiateam 1956 belohnt. Mit ihm als Spielertrainer steigt die Altstadt in die 2. Liga auf, wo er mit 22 Toren bester Schütze seiner Mannschaft wird. Ohne Fritz Semmelmann wäre der sportliche Aufschwung mit Sicherheit nicht geglückt! - Jumbo Zeitler
Er verstärkt die SpVgg ab 1958, nachdem er seine erfolgreichsten Jahre beim VfB gehabt hatte – und sich sogar berechtigte Hoffnungen auf eine Nominierung in den WM-Kader 1954 machen durfte. Er lief zwar nur für zwei Jahre für die SpVgg auf, ohne ihn wäre der Aufstieg in die 2. Liga aber womöglich nicht geglückt. Zweifelsohne ist er einer der größten Fußballer, die Bayreuth hervorgebracht wird. - Die Meistermannschaft 1954
Paul Guhl – Rudi Sommerer, Bauer, Herbert Hacker, Basler, Piesuir, Georg Wippenbeck, Hans Walder, Eichmüller, Fritz Semmelmann, Neubing. - Der Meisterkader 1959
Paul Guhl, Richard Heumann, Dieter Schott – Alfred Dörfler, Willi Friedrich, Herbert Hacker, Heim, Heinz Klingenbeck, Hubert König, Adolf Lindner, Willi Rausch, Johann Schif, Fritz Semmelmann, A. Voll, Hans Walder, Georg Walther, Rudi Weber, Georg Wippenbeck, Johann Zeitler.
Große Spiele
- 11954/55: SpVgg Bayreuth – VfB Bayreuth 5:0 (Bayernliga)
Im ersten Spiel nach dem Aufstieg schießen die Altstädter vor 4.500 Zuschauern den Stadtrivalen von der Jakobshöhe – Fritz Semmelmann trifft dreifach, die weiteren Tore erzielen Neubing und Walder. Wenige Wochen später sehen 5.000 Zuschauer ein 5:3 gegen den Bayreuther „Club“.
- 1956: Deutschland – UdSSR 1:2 (Olympische Spiele in Melbourne, Viertelfinale)
Gegen die „Staatsamateure“ der Sowjetunion stehen mit Fritz Semmelmann und Jumbo Zeitler zwei Bayreuther für Deutschland auf dem Feld und schrammen und knapp an der Überraschung gegen den späteren Turniersieger vorbei, der unter anderem mit Torwartikone Lew Jaschin aufwartet.
- 1958/59: SpVgg Bayreuth – TSV Schwaben Augsburg 2:0 (Endspiele um die bayerische Meisterschaft)
9.000 Zuschauer, so viele wie noch nie, feiern auf der Jakobshöhe dank Toren von Adolf Lindner und Jumbo Zeitler einen 2:0-Sieg im Hinspiel gegen Schwaben Augsburg. Eine Woche später begleiten rund tausend Bayreuther ihre Mannen in die Fuggerstadt, wo man sich durch ein 0:0 den ersten bayerischen Meistertitel sichert.
- 1958/59: VfR Pforzheim – SpVgg Bayreuth 1:2 n.V. (Aufstiegsrunde zur 2. Liga Süd)
Im entscheidenden Spiel um den Aufstieg in die 2. Liga bieten sich Pforzheim und die Altstadt einen erbitterten Kampf über 120 Minuten, anderen Ende die Mannen aus der Wagnerstadt die glücklichen, aber verdienten Sieger sind. Das goldene Tor erzielt Jumbo Zeitler in der 107. Minute. Im heimischen Bayreuth fiebern Tausende vor der Milchbar mit, wo Oberbürgermeister Hans Walter Wild eine Live-Übertragung initiiert.
- 1959/60: SpVgg Bayreuth – Karlsruher SC 1:3 n.V. (DFB-Pokal)
Im ersten DFB-Pokalspiel der Geschichte liefert der Zweitligaaufsteiger dem amtierenden Meister der Oberliga Süd, dem Karlsruher SC, einen erbitterten Kampf. Den Rückstand in der 18. Minute kann Fritz Semmelmann nach wenigen Minuten egalisieren. „Der Zweitligist übertraf sich in diesem Pokalspiel selbst. Er lieferte dem keineswegs enttäuschenden KSC eine farbige Partie“, schreibt später der kicker, der in der zweiten Hälfte sogar Vorteile für die Altstadt sah: „Die zweite Spielhälfte stand sogar im Zeichen des Zweitligisten, der ständig mit stürmischen Angriffen aufwartete, aber meist an dem überragenden Stopper Witlatschil hängenblieb.“ So aber geht es in die Verlängerung, in der sich die Karlsruher schließlich doch durchsetzen – und später im Pokal bis ins Finale kommen.
- 1959/60: SpVgg Bayreuth – Amicitia Viernheim 7:3 (2. Liga Süd)
Der beste Angriff der Liga wirbelt Viernheim ordentlich durch. Wieder mal sind Fritz Semmelmann und Jumbo Zeitler unter den Torschützen: „Der Fritz und ich haben zusammen sechs von sieben Toren geschossen. Der Fritz fünf und ich eins!“, scherzt Zeitler später. Das siebte Tor steuert Rausch bei. Der höchste Sieg der Saison ist es nicht: In den ersten beiden Heimspielen nach dem Aufstieg werden der VfB Helmbrechts mit 7:1 und der FC Singen mit 6:1 von der Jakobshöhe geschossen.
Die Saisons im Überblick
- 1950/51: Kreisliga Oberfranken Ost (4. Liga)
9. Platz – 37:52 Tore – 20:28 Punkte - 1951/52: Kreisliga
3. Platz – 50:37 Tore – 31:21 Punkte - 1952/53: Kreisliga
5. Platz – 51:35 Tore – 25:23 Punkte - 1953/54: Kreisliga
1. Platz – 65:30 Tore – 37:13 Punkte
1. Platz in der Aufstiegsrunde zur 1. Amateurliga Nordbayern - 1954/55: Bayernliga Nord (3. Liga)
5. Platz – 50:42 Tore – 27:21 Punkte - 1955/56: Bayernliga
8. Platz – 43:56 Tore – 26:26 Punkte - 1956/57: Bayernliga
3. Platz – 56:41 Tore – 32:24 Punkte - 1957/58: Bayernliga
2. Platz – 72:41 Tore – 39:21 Punkte - 1958/59: Bayernliga
1. Platz – 76:33 Tore – 47:13 Punkte
Bayerischer Amateurmeister (2:0 und 0:0 gegen Schwaben Augsburg)
Aufstieg in die 2. Liga Süd (2:1 n.V. gegen VfR Pforzheim) - 1959/60: 2. Division (2. Liga)
5. Platz – 83:63 Tore – 40:28 Punkte
Recherche durch Stephan Müller im Rahmen des Buchs „100 Jahre SpVgg“
Was sonst noch geschah
- 1952 wird der SpVgg die Hälfte des Grundes, auf dem das Stadion auf der Jakobshöhe steht, überschrieben (der andere Teil gehört nach wie vor der Brauerei Glenk). Die Witwe des vormaligen Besitzers Georg Herath stellt es der generös dem aufstrebenden Stadtteilklub zur Verfügung. Voraussetzung: Die SpVgg muss sich um die Grabpflege ihres Gatten kümmern.
- Im Laufe des Jahrzehnts wird die Jakobshöhe, die einst ein Kartoffelacker und später ein besserer Sportplatz war, Schritt für Schritt zum echten Stadion ausgebaut. Während der Saison 1955/56, in der die SpVgg ins FC-Stadion ausweicht, wird eine Drainage installiert und der Rasen neu angesät, außerdem erhält das Stadion befestigte Stehränge. Vor dem Schlagerspiel gegen Schwaben Augsburg um die bayerische Meisterschaft (1959) wird die Kapazität des Stadions buchstäblich über Nacht noch einmal erweitert. Und das größtenteils in Eigenleistung: Sogar die Meistermannschaft packt bei den Umbaumaßnahmen mit an und sorgt damit dafür, dass 9.000 Zuschauer im Hexenkessel Jakobshöhe Platz finden. (Recherche: Uwe Glaser)
- Fritz Semmelmann und Jumbo Zeitler sorgen mit der bayerischen Amateurauswahl für Furore und gewinnen dreimal den Länderpokal. Darüber hinaus sind sie fester Bestandteil der Amateur-Nationalmannschaft und spielen dort an der Seite etwa von Helmut Rahn oder Uwe Seeler – Semmelmann bringt es auf 14, Zeitler auf 13 B-Länderspiele. Gemeinsam stehen die beiden Bayreuther Ausnahmespieler außerdem 1956 bei den Olympischen Spielen in Melbourne für Deutschland auf dem Platz. Zeitler hatte bereits 1952 die deutsche Fahne vertreten.
- Als einziger Bayreuther absolviert Jumbo Zeitler 1952 außerdem ein A-Länderspiel, beim 3:0 gegen Luxemburg trägt er sich sogar in die Torschützenliste ein. Fritz Semmelmann bleibt diese Ehre nicht vergönnt, obwohl er von 1954 bis 1958 zum erweiterten Kader von Bundestrainer Sepp Herberger gehört.