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Nächste Schicht im Schacht

In Bayreuth aktuelle Worte über den FC Erzgebirge Aue zu verlieren, das hieße Eulen nach Athen zu tragen. Über wohl kaum einen anderen Ligakonkurrenten wird in Bayreuther Fankreisen soviel gesprochen wie über die Vogtländer. Das hat natürlich seinen Grund: Die Wechsel von Timo Rost, Michael Gehret, Ivan Knezevic und Tim Danhof.

Erst am letzten Spieltag der Saison wird Timo Rost „seine“ letztjährige Kabine wieder betreten. Foto: Andi Bär

Doch die vier sind bei weitem nicht die einzig neuen Gesichter beim Zweitligaabsteiger. Marco Schikora und Steffen Nkansah vom Nachbarn FSV Zwickau, das zu Titus Petingen ausgeliehene Eigengewächs Niklas Jeck und Torwart Lukas Sedlak (Carl Zeiss Jena) sind die in hiesigen Gefilden eher unbekannten Neuzugängen. Neben Elias Huth, zuletzt vom 1. FC Kaiserslautern an den Halleschen FC ausgeliehen, konnten Präsident Helge Leonhardt und Timo Rost noch zahlreiche andere hochtalentierte und doch schon erfahrene Kicker verpflichten. Sie alle eint eines: Sie haben bayerische Wurzeln oder zumindest schon im Freistaat gekickt. An vorderster Front natürlich Ulrich Taffertshofer. Der 33-jährige Routinier kommt vom VfL Osnabrück, bei dem er nicht nur Leistungsträger, sondern auch Publikumsliebling war. Die anderen Neuzugänge: Linus Rosenlöcher, Paul-Philipp Besong (beide 1. FC Nürnberg II), Marvin Stefaniak (Würzburger Kickers), Korbinian Burger (1. FC Magdeburg), Alexander Sorge, Nico Gorzel (beide Türkgücü München), Lenn Jastremski (FC Bayern München II) und der hochtalentierte Defensivmann Felix Göttlicher (SpVgg Unterhaching). Zusammen mit einigen verbliebenen Spielern (insgesamt 18 Akteure verließen den Klub) aus dem Zweitligakader, allen voran Torwartikone Martin Männel (seit 2008 im Verein!) und Spielmacher Dmitri Nazarov, ebenfalls schon seit sechs Jahren im Schacht aktiv, sollen sie dafür sorgen, dass der Abstieg möglichst schnell wett gemacht wird.

Einer der Königstransfers: Vom 1. FC Kaiserslautern eisten die Auer den zuletzt zum Halleschen FC ausgeliehen Elias Huth ins Erzgebirge. Foto: Andi Bär

Einer, der eine ganz besondere Bindung zu Bayreuth hat, steht in Aue ebenfalls im Fokus: Jann George. Das einst schlampige Talent hat sich längst zum etablierten Kicker gemausert (122 Zweitligaspiele) und sich nach seinem Wechsel vom SSV Jahn Regensburg (wo er übrigens mit Markus Ziereis zusammen im Sturm agierte) zu den Violetten in der Vorsaison mit allen möglichen Unwägbarkeiten herumschlagen müssen, kam daher nur auf neun Einsätze. Der 29-jährige gilt als perfekter Flügelstürmer mit einem guten Riecher vor dem Tor. Ach ja. Seine Beziehung zu Bayreuth ist eine familiäre. Die Ehefrau des Deutschamerikaners stammt aus Görschnitz in der Nähe von Weidenberg. Und manch ein Fußballkenner der Damenszene kennt Amelie, eigentlich allerorten nur als Amy bekannt, Steininger noch. Sie kickte einst nach ihrer Zeit bei der SpVgg Greuther Fürth, wo die beiden sich auch kennenlernten, noch einige Jahre bei unserer Altstadt, führte die Damenmannschaft als Kapitänin aufs Feld.

Es war nur ein Spaß im Rahmen eines Junggesellenabschiedes. Aues Jann George, damals noch in Regensburger Diensten, streift sich das Altstädter Trikot im HaWaWi über. Foto: Andi Bär.

Gespannt darf man sein, ob es Timo Rost – ähnlich wie bei uns in Bayreuth – schafft, seinem Team eine klare Identität zu verschaffen. In seiner ersten Pressekonferenz machte er in gewohnter Klarheit deutlich, was sein Ziel ist: Eine Mannschaft zu formen mit Aue-DNA. Ein durchaus spannender Ansatz, schließlich ist die Zahl der aus der näheren Umgebung stammenden Kicker überschaubar. Und doch weiß man insbesondere hier in Bayreuth, dass es der 44-jährige immer wieder schafft, schier unmögliches zu realisieren. Die Basis dafür wird es sein, dass er Zugang zu den Anhängern findet. Schließlich ist Aue der Verein mit der wahrscheinlich höchsten Identifikation seiner Einwohner zum Klub. Wer schon einmal im schmucken, umgebauten Stadion war, der weiß, was gemeint ist. Heimspiele des Traditionsvereins, der in DDR-Zeiten als BSG Wismut fungierte, haben Kultcharakter. Gefühlt sind in der Gemeinde Aue-Bad Schlema – 2019 schlossen sich die beiden Orte zusammen und sind mit knapp 21000 Einwohnern die größte Stadt des Erzgebirgskreises – alle Bewohner auf den Beinen, wenn der FC Erzgebirge kickt. Vermutlich auch in Liga drei. Dort kickten die Auer zuletzt in der Saison 2015/16. Nach dem damaligen Abstieg aus der zweiten Liga übernahm Pavel Dotchev, zuletzt sportlicher Leiter, das Trainerzepter und führte die Kicker aus dem Erzgebirgsstadion auf direktem Weg zurück in den Bundesligaunterbau. Das wäre der Weg, den Präsident Helge Leonhardt, ein ehemaliger Kampfschwimmer, am liebsten wieder antreten würde. Timo Rost tritt da ein bisschen auf die Bremse. Mittelfristig will er wieder nach oben. Eine Marschroute, die man hier in Bayreuth in Zusammenhang mit seinem Namen bestens kennt.