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Dabrowski soll die Rückkehr veredeln

Kuriose Blüten trieb der Aufstieg von Rot-Weiß Essen. Im Schlussspurt der Regionalliga West trennten sich die Macher der Kicker aus der geschichtsträchtigen Hafenstraße von Erfolgstrainer Christian Neidhardt. Der deutsche Pokalsieger (1953) und deutsche Meister (1955) sah seine große Chance auf die Rückkehr in den Profifußball schwinden.

Soll die großen Fußstapfen von Christian Neidhardt ausfüllen: Christoph Dabrowski, zuletzt bei Hannover 96 in der Bundesliga aktiv, führt RWE zurück in den Profifußball. Foto: Rot Weiss Essen – Presse.

Neidhardt muss zwei Spieltage vor Schluss gehen

Im Saisonendspurt balgten sich Preußen Münster und der einst international vertretene RWE um die Meisterschaft. Die Spannung hatten sich Essens Fans dabei selbst zuzuschreiben. Ausgerechnet im Spitzenspiel flog bei einer eigenen Führung (!) ein Böller aufs Spielfeld, die Spielwertung zugunster der Münsteraner brachte neue Dramaturgie in den Kampf um die Qualifikation zur 3. Liga, in der Essen noch nie spielte. Da Rot-Weiß aus den folgenden neun Partien nur vier Siege einheimste und noch dazu im Landespokal ausschied, zogen die Macher die Notbremse. Neidhardt musste gehen, Jörn Nowak übernahm die Führung beim einstigen Bundesligisten und durfte nach einem 2:0-Sieg über LR Ahlen am letzten Spieltag jubeln. Ganze drei (!) mehr geschossene Tore gaben den Ausschlag zugunsten des Traditionsvereins. Und das auch nur, da Münster am vorletzten Spieltag patzte.

Felix Bastians als Routinier

Der Aufstiegskader von RWE ist dabei nicht der schlechteste. Einige klangvolle Namen tummeln sich in Reihen des Traditionsvereins. In der Abwehrkette kickt mit Felix Bastians einer, den man kennt: Ausgebildet in Dortmund landete er nach einem mehrjährigen England-Gastspiel, sein Stammverein Nottingham Forest lieh ihn mehrfach aus, beim SC Freiburg, der Berliner Hertha und dem VfL Bochum. 92 Bundesliga- und 116 Zweitligaspiele später wechselte der inzwischen 34-jährige im September 2021 aus der ersten belgischen Liga nach Essen. Das bisherige Sorgenkind unseres Mitaufsteigers war das zentrale Mittelfeld. Dort fehlte ein kompromissloser Abräumer. Mit Björn Rother von Hansa Rostock hat man genau diesen Spielertypus gefunden. Mit 130 Drittligaspielen im Gepäck kommt der aus der Aachener Gegend stammende Ex-Magdeburger zurück in die Nähe seiner Heimat.

Der Goalgetter: Nach unzähligen Jahren auf Regionalliganiveau will Simon Engelmann es auch in Liga 3 wissen. Hier knipste er gerade im entscheidenden Spiel gegen LR Ahlen am letzten Spieltag. Foto: Markus Endberg / Rot Weiss Essen.

Essens Goalgetter auf unbekanntem Terrain

Die spannendsten Personalien hat Rot Weiss Essen im Offensivbereich zu bieten. Da wäre zum einen Flügelflitzer Isaiah Young, der beide Seiten besetzen kann und trotz anderweitiger Offerten seinen Vertrag verlängert hat. Und dann wäre da noch Goalgetter Simon Engelmann. Nicht wenige halten diese Personalie für die ligaweit spannendste überhaupt. Der 33-jährige Mittelstürmer, mit 1,88 durchaus mit Gardemaß aufwartend, hat – aus welchen Gründen auch immer – in seiner Karriere noch nie oberhalb der Regionalliga gekickt. Bei seinen Werten eigentlich völlig abwegig. In 349 Regionalligaspielen traf er 173-mal (!) ins Schwarze, in den zusätzlichen 30 Oberligaspielen netzte er 25-mal ein. Sollte Engelmann entgegen aller Prognosen nicht funktionieren oder von Dabrowski einen zweiten Mann an seine Seite gestellt bekommen, dann hat Essen bestens vorgesorgt. Mit Ron Berlinski vom SC Verl wurde einer verpflichtet, der im Vorjahr bei seinem Klub maßgeblich für den Klassenerhalt mitverantwortlich war und vor allem in der Endphase der Saison wichtige Tore erzielte und Assists gab.

Sören Osterland (links) heimste erste Sporen beim FC Bayern München II als Co-Trainer von Mehmet Scholl, ehe er den heutigen Essener Coach Christoph Dabrowski bei Hannover 96 II zu seinem Assistenten machte. Nicht die schlechteste Entscheidung. Foto: Andi Bär.

Euphorie als Triebfeder

Was Essen auszeichnet, ist die überragende Fanbasis – die freilich nicht immer problemlos ist: Beim Auftakttraining säumten 3000 (!) Anhänger das Stadion an der Hafenstraße, kalkuliert wird mit einem Zuschauerschnitt von 13000 – so viele waren es in der bislang letzten Profisaison der Rot-Weißen 2006/2007. Perspektivisch soll für Essen die 3. Liga nur eine Zwischenstation sein zurück auf den Weg in DFL-geführte Ligen. Der neueste Plan daher: Das traditionsreiche Stadion soll ausgebaut werden. Treibende Kraft bei der Mission „erfolgreiche Rückkehr in den Profifußball“ ist Trainer Christoph Dabrowski. Zuletzt führte er Hannover 96 in der Bundesliga an. Und krönte damit seine bisherige Karriere als Coach, die 2013 begann. Mit einem in bayerischen Gefilden durchaus bekannten Chef an seiner Seite: Sören Osterlund. Osterlund, einst jahrgangsbester Trainerabsolvent beim Fußballlehrer-Lehrgang, sammelte erste Erfahrung als Co-Trainer von Mehmet Scholl beim FC Bayern München II. Während Osterlund mittlerweile wieder bei seinem Heimatverein Lok Stendal tätig ist und keine große Trainerkarriere hinlegte, startete Dabrowski durch und diente sich in Hannover nach oben.